Samstag, 15. März 2008

Unsere 'Promotiontour'

Wissen ist Macht

In den Freistunden an der Schule besuche ich meistens Carola und Anne im 'Blindhouse', wo Blinde im Toepferhandwerk ausgebildet werden. Geleitet wird das Ganze von einer deutschen Familie. Gabi und Rainer, der selbst blind ist, sind mit ihren drei kleinen Kindern hierher gekommen um das Projekt zu koordinieren. Mittlerweile sind sie aber die meiste Zeit damit beschaeftigt ihre Kinder und sich selbst von Malaria zu kurieren. Da fraegt man sich dann, ob eine Hilfe, bei der man das Leben seiner Kinder auf's Spiel setzt wirklich noch im Verhaeltnis steht? Der Kleinste ist gerade ein paar Monate alt und hatte schon mehrmals Malaria. Es kann auch durchaus mal passieren, dass die beiden anderen einen Skorpion in ihrer Legokiste finden...alles ganz normal fuer Afrika, aber unsere Kinder haben eben nicht das Immunsystem von afrikanischen und auch wir nicht. Den Brother haut es ja heute vor Lachen noch schier vom Stuhl, wenn ich ihm von meinen rot-weiss gefleckten Koerper nach meinem Insektenbiss erzaehle...wobei das wohl eher daran liegt, dass er sich mit den rot-weissen Flecken relativ schwer tun wuerde *lach*!
Um das 'Blindhouse' vielleicht irgendwann soweit zu bringen, dass es sich selbst traegt, werden Wasserfilter zu den Gebrauchswaren produziert. Diese bestehen aus einem Plastikeimer in den ein Tongefaess gestellt wird, durch das das Wasser gefiltert wird. In Tabora koennen die Filter mit dem Argument der Zeit- und Holzersparnis durch das nicht mehr notwendige Abkochen verkauft werden. Um aber auch die Doerfer zu erreichen fahren wir am Samstag nach Kipalapala, einem kleinen Ort mit ein paar Lehmhuetten. Alfred der afrikanische 'Marketingmanager' stellt das Produkt vor. Die Menschen sind skeptisch, da sie es gewohnt sind, das dreckige Wasser aus dem nahegelegenen Fluss zu trinken. Sie fragen, was geschieht, wenn sie ab jetzt gefiltertes Wasser trinken!? Auch das gaengige Verkaufsargument zieht nicht, das das Wasser dort nicht einmal abgekocht wird. Es ist ihnen nicht klar, dass ihre Krankheiten, die oftmals den Tod mit sich bringen haeufig durch die Parasiten im Wasser hervorgerufen werden. Zudem kommt der Preis von circa 9 Euro. Es kann sich einfach niemand leisten. Unsere Tour, die mit soviel Zuversicht begonnen hat wird zu einem schwierigem Unterfangen. Natuerlich wuerde gerne jeder von uns einen Wasserfilter in jedes Haus stellen, aber das waere ein Tropfen auf den heissen Stein und ist auch nicht im Sinne des Projektes. Nach dieser 'Veranstaltung' machen wir ein Picknick unter einem der vielen wunderschoenen Mangobaeume und diskutieren das Problem von vorn nach hinten und von hinten nach vorne, wie es wahrscheinlich schon viele Missios vor uns getan haben. Das wir zu keinem Ergebnis kommen werden, weiss wohl jeder von uns und trotzdem will sich keiner diese Machlosigkeit klar vor Augen halten. Mir wird von Tag zu Tag bewusster, wie sehr es in diesem Land an den Wurzeln der Bildung fehlt und was dieses fuer uns selbstverstaendliche Gut 'Wissen' ueberhaupt bedeutet. In Afrika bedeutet es in erster Linie Leben und Ueberleben. Es wird wohl optimistisch gerechnet noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis hier kein Leben mehr aufgrund von Unwissenheit gelassen werden muss.

Freitag, 7. März 2008

Unsere kleine Farm

...es gibt wohl keinen passenderen Namen fuer dieses wilde Durcheinander von Mensch und Tier. Sie besteht aus dem Father, einem indischen Priester, der auch die Schule leitet, an der ich arbeite - dem Brother, der erst Priester wird und aus Moshi, einem Ort am Fusse des Kilimanjaro, kommt - der Dada Annetti eine Musungu (Europaerin) fuer Ortskundige Hilgertshausen/Gumpersdorf und den 34 Jungs, deren Herkunft sie selbst oftmals nicht genau bestimmen koennen. Ja und dann sind da noch ca. 3 grosse und 4 kleine Hunde, unzaehlbare Huehner, meine persoenlichen Hassobjekte die Perlhuehner, ein paar Dutzend Hasen, neuerdings drei Ziegen und da Eltern die Schulgebuehr ihrer Tochter in Naturalien gezahlt haben zwei Truthaehne. Vergessen darf ich auch nicht Brothers Freunde drei Katzen, die er extra im Hinterhof behaelt, damit die Kinder sie nicht zu Tode aergern und das meine ich genau so, sie ich es schreibe. Tiere sind in Afrika lediglich zum essen und arbeiten da und da die Kinder sich von ein paar Ratten in ihrem Haus nicht gestoert fuehlen, sehen sie auch keinen Grund, die Katzen am Leben zu lassen. Wenn ich hier erzaehlen wuerde, dass es bei uns extra Katzenmilch im Supermarkt zu kaufen gibt, Tiere fuer hunderte und tausende von Euros operiert werden und Hunde teilweise mit Schleifchen im Fell und passender Leine zum Herrchenoutfit rumlaufen, dann wuerden die Menschen, deren Kinder vielleicht nur einmal die Woche Milch in ihr Becherchen bekommen schier in Ohnmacht fallen - und das zu Recht. Trotzdem koennen wir daran nur bedingt etwas aendern und muessen nicht ab sofort in demuetiger Haltung und einem permanent schlechten Gewissen verharren, dafuer schreibe ich diese kleinen Geschichten nicht. Ich will lediglich die Dinge dieser fuer mich neuen Welt weitergeben, die mich zum Nach- und einem gewissen Umdenken bewegen. Ich weiss nicht ob man es den Blick fuers Wesentliche nennen kann, aber diese Zeit in Afrika veraendert und laesst vieles klarer werden. Es ist nicht nur dieses 'mei die Armen - haben wirs gut', es ist mehr, das was fuer mich zaehlt, was mir als wirklich wichtig erscheint.
Ich wurde hier wie ein neues Familienmitglied aufgenommen und fuehle mich mittlerweile auch genau so - ein kleiner Teil einer riesen Familie. Aber nicht nur ich, jeder Gast findet sofort seinen Platz, wenn auch oft nur fuer ein paar Stunden. Als ich naemlich die 'Bewohner dieser kleinen Farm' aufgezaehlt habe, waren die vielen kleinen Kinder vom Dorf nicht dabei, die vormittags bei uns 'unterrichtet' werden und Uji (Maismehlsuppe mit Zucker) bekommen, die Nachbarskinder und viele viele Gaeste, die ein- und ausgehen - jeder ist willkommen.
Letzte Woche habe ich Sabine getroffen, eine Studentin aus Heidelberg, die hier an der Blindenschule ein Praktikum macht getroffen. Sie hat sich dort in ihrem Zimmer einsam und nicht besonders wohl gefuehlt und war auch von 'Afrika' an sich etwas ueberfordert. Als ich das dem Father erzaehlt habe, hat er sie gleich zu uns eingeladen und mittlerweile wohnt sie fuer ihre drei Praktikumswochen im Zimmer neben mir. Diese gegenseitigen Hilfe um die kein grosses Aufsehen gemacht wird und die sowohl untereinander als auch zu uns Fremden selbstverstaendlich ist, davon hoffe ich ein Scheibchen mit nach Hause nehmen zu koennen.