Montag, 25. Februar 2008

Aus einer Muecke wird kein Elephant

Seit ca. 2 Wochen habe ich des oefteren ein bisschen Kopfschmerzen, die ich bis jetzt immer auf das Klima hier geschoben habe und die gelegentlichen Rueckenschmerzen auf meine Yogauebungen. Aussergewoehnlich war es auch nicht, als ich Halsweh, Schnupfen und Husten bekommen habe. Schliesslich ist gerade Regenzeit und alle Kinder sind erkaeltet...ein "Hand vor den Mund halten" beim Husten wollte ich einfuehren, hab es aber schnell wieder sein lassen - ein Ding der Unmoeglichkeit! Taschentuecher haben die Kinder auch nicht und bei jedem besonders inbruenstigen "Rotznase hochziehen" freue ich mich schon darauf, wenn meine Mama uns besucht, Heri in ihre Arme springt und ihr dann genuesslich ins Ohr rotzt - natuerlich ohne zu ahnen, was er ihr damit antut! Sie wird ihm ein Tempo geben, woraufhin alle eins haben wollen und Mission "Schneuzen" wird aufgrund Taschentuchmangel eingestellt werden:-). Woher ich das so genau wissen will? Ich bin ja nun mal die Tochter meiner Mutter und bei solchen Aktionen auch schon klaeglich gescheitert. Sei es bei ruelpsen, niesen oder husten die Hand vor den Mund zu halten oder zum "Gase ablassen" (Liebe Mama, dir zuliebe nicht mein Lieblingswort mit lang "oa"!!) vor die Tuer zu gehen. Nur bei "please" bin ich gnadenlos und Fragen ohne das Zauberwort werden grundsaetzlich ueberhoert. Schliesslich soll Carola (eine deutsche Toepferin, die in einem Blindenprojekt arbeitet) nicht ewig Grund zu der Aussage haben, dass die Kinder hier keine Erziehung haetten. Ich erklaere ihr jedes Mal, dass sie nicht vergessen darf, dass es Strassenkinder sind und wir einigen uns darauf, dass sie fuer Strassenkinder ein sehr gutes Benehmen haben.
Gerade geht Elias mit einer Schuessel Orangen an meinem Zimmer vorbei zu unserer Koechin Salome, die mir zur Zeit jeden Tag einen frisch gepressten Saft aus unseren Orangenbaumfruechten im Garten macht. Das erinnert mich an meine Grippe bei der ich war, bevor ich mich mal wieder in anderen Geschichten verloren habe. Ich stehe also am Freitag erkaeltet vor dem Wochenende, habe aber nicht vor, mich ins Bett zu legen, bevor mein Koerper mich nicht vollkommen lahm legt - wer legt sich schon gerne in einem fremden Land ins Bett, wenn es draussen so viel zu erleben gibt?! Am Samstag morgen gehen wir deshalb auf den Markt, es macht aber nicht so viel Spass wie sonst, ich schleppe mich durch und bin heilfroh, als wir uns endlich hinsetzen und eine Ingwer-Fanta trinken mhhh...danach will ich Heim. Kaum Zuhause angekommen, fuehle ich mich wieder kerngesund und freue mich auf einen Abend mit viel Ratsch und tollem Essen im Tabora-Hotel, dem besten Hotel am Platz. Es ist in einem Gebaeude untergebracht, das noch aus deutscher Kolonialzeit stammt - wunderschoen. Leider merkt man hier auch sehr schnell, wer es sich leisten kann am Abend beinahe 10 Euro
fuer ein Essen mit Nachspeise und einem Liter Mangosaft auszugeben und das sind zu 90% keine Einheimischen, sondern Europaeer und Araber. Trotzdem ist es einfach was Tolles alle paar Wochen an einem schoen gedeckten Tisch zu sitzen und die "koloniale Atmosphaere" - so mein Reisefuehrer - zu geniessen. Die Quittung fuer den super Abend bekomme ich am naechsten Morgen, beim Aufwachen weiss ich: jetzt ist sie erreicht, darf ich vorstellen, deine koerperliche Grenze! Ich sage bei Rainer ab, der heute seinen Geburtstag feiert und bleib liegen. Als es mir dann wieder ein bisschen besser geht, setze ich mich an den Schreibtisch und will Uebungen fuer die Kinder vorbereiten - sie haben schliesslich am folgenden Tag einen grossen Test, auf den ich sie noch vorbereiten will. Waehrend dessen bekomme ich heftige Kopfschmerzen, mit denen ich noch ein paar Minuten kaempfe, dann aber aufgebe. Auch zum Mittagessen kann ich nicht aufstehen, die Traenen laufen und laufen. Als Father und Brother mich sehen, schauen sie ganz beschaemt zu Boden, aber das kann ich ihnen nicht ersparen, da muessen sie jetzt durch. Ich denk an meine Mama, wenn sie Migraene hat wird es ihr schlecht, aber mir wird nicht schlecht, ich bin auch nicht benebelt, es ist ein ganz klarer stechender Schmerz. Ich rufe die deutsche Aerztin Ruth an, der ich am Vorabend noch versichert habe, dass es sich bei mir um eine stinknormale Erkaeltung handelt. Sie erklaert mir unmissverstaendlich ihre Diagnose "Malaria" und was ich auf's Spiel setze, wenn ich nicht sofort mit der Behandlung anfange - danach gibt es kein Ueberlegen, ich nehme die ersten vier Malariatabletten. Spaeter besuchen mich Carola und Anne und starren mich ganz unglaeubig an "wir ueberlegen uns schon die ganze Zeit, wie wir ein paar Koerner Reis in dich reinkriegen, damit du deine Tabletten nehmen kannst und sie sitzt hier und haut sich ein Mandarsi (kleine Krapfen) nach dem anderen rein" werfen sie mir lachend vor. Naja, da muss schon mehr passieren, dass mir der Appetit hier vergeht *lach*! Am naechsten Tag will mich der Father ins Krankenhaus bringen, aber ich fahre lieber mit dem Rad, weil ich dann in Ruhe auf mein Ergebnis warten kann und ich ihn nicht bemuehen will, weil ich ja der festen Meinung bin, dass ich nicht wirklich krank bin. Zwei kurze Kopfschmerzattaken, was ist das schon. Im Krankenhaus geh' ich zum "Test-Kiosk", den ich so getauft habe, weil er wirklich wie ein Kiosk im Freibad aussieht, nur das hier Bluttests angeboten werden - Malaria 1000 Shilling, Zucker 500 Sh., Diphterie 1000...
Nach 45 Minuten hab' ich es schwarz auf weiss - tatsaechlich Malaria. Ich radl Heim und alle sind sehr besorgt - "take it easy" sagt der Brother ganz mitleidig. Ich muss das Bett hueten und das faellt mir schwer, weil es mir eigentlich nur ca. 2 Stunden am Tag schlecht geht. Das sind dann Schuebe, die ich meistens ganz gut verschlafen kann - also alles halb so schlimm. Heute ist schon Mittwoch und ich habe die erste Nacht wieder durchgeschlafen. Das hab' ich dem Father dann auch gleich erzaehlt, er hat mir bestaetigt, dass ich auch wieder leise war und er meinen "Sound" nicht gehoert hat - oh je, die Armen - jetzt hab' ich ihnen in der Nacht auch noch war vorgeschnarcht- und philosaphiert *lach*!!!

Dienstag, 12. Februar 2008

Momentaufnahme

Ich muss vorab jetzt mal sagen, dass ich diese kleine Geschichte sofort nachdem ich sie erlebt habe geschrieben habe. Deshalb die Ueberschrift "Momentaufnahme". Mittlerweile habe ich mich beruhigt und sehe nach einigen Gespraechen mit verschiedenen Leuten hier die Sache schon etwas anders.
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Am Samstag vor dem Abendessen werden unter einem Baum Baenke kreisfoermig aufgestellt und der Rosenkranz gebetet. Auch wenn wir am Wochenende komplett freigestellt sind und eigentlich auch gar nichts verstehen is es wunderschoen dort zu sitzen und die bestte Moeglichkeit einfach mal leer zu laufen, an nichts zu denken...wenn da an diesem Samsag nicht ploetzlich der Hund aufgejault haette. Dann ist alles blitzschnell gegangen - der Brother schreit den Wachmann an, dieser sprintet los, die Jungs hinterher. Father Samy erklaert uns, dass in dieser Woche vier Huehner gesohlen wurden und kurze Zeit spaeter kommen die ersten Jungs zurueck, sie haben ihn erwischt, den Huehnerdieb. Die Haende zusammengebunden wird er dann gebueckt laufend an uns vorbeigeschleift und unser Wachmann gibt ihm noch einen kraefigen Hieb, der weinende Junge schreit kurz auf und sie verschwinden im Haus, in dem die Jungen wohnen. Meine Gedanken rasen - ich haette etwas tun muessen, ich muss jetzt etwas tun und gleichzeitig weiss ich, dass ich nicht das Recht habe, mich in die afrikanischen Sitten einzumischen als grossartige europaeische Vertreterin des einzig Wahren und Gerechten. Was is ueberhaupt wahr und gerecht, kann ich das als Deusche hier beurteilen? Waehrend ich mit diesen Fragen noch total ueberfordert bin, stimmen alle wieder in das Rosenkranzgebe ein. Ich bin stinksauer und ueberlege in diese "katholische" Runde zu schreien, wie sie nur beten koennen waehrend der Junge im Haus geschlagen wird - wie scheinheilig!! Kaum gedach verwerfe ich es wieder und suche den Blick von Brother Innocent. Mit ihm hatte ich schon tolle Gespraeche und wenn man Probleme mit der Kultur hat, sie werden durch seine plausiblen, humorvollen und trotzdem ernsthaften Erklaerungen meist versteh- und akzeptierbar - aber auch er weicht mir aus und so gern ich ihn mag, in diesem "friss unsere Sitten oder stirb" - Moment wuerde ich ihn am liebsten gegen die Wand klatschen. Als sie das Abschlusslied singen klatsche ich nicht mit, das Ganze kommt mir so absurd vor und das will ich auch irgendwie zeigen - naja, nicht mitzuklatschen ist vielleicht nicht gerade die effekivste Art, aber es war fuer mich in diesem Moment die einzig realisierbare. Was wuerde es bringen aufzuspringen, seinen Dampf abzulassen, den Rucksack zu packen und abzuhauen? Nichts, aber auch rein gar nichts!!
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Mittlerweile wissen wir von Father Samy, dass dieser Junge zu einer organisierten Bande von Strassenkindern gehoert und in letzer Zeit oefter hier bei unseren Jungs war. Einmal hat er ihm erlaubt hier zu uebernachten, Rama hat mit ihm sein Bett geteilt und das alles nur um auszuspionieren, wie er an die Huehner kommt...ja, der Vertrauensbruch ist Fakt. Auch Father und Brother verstehen, in welcher Lage sich der Junge befindet. Die Eltern sind gestorben und von den Verwandten wurde er abgelehnt. Sie wuerden ihn mit Sicherheit auch gerne aufnehmen, aber die Betten sind voll, es gibt hier einfach keinen Platz mehr. Ich kann es auch nachvollziehen, dass man gegen solche Banden was tun muss, bevor die Kinder aelter und die Kriminalitaet groesser wird. Sie bringen ihn noch vor dem Abendessen zur Polizei, die Nacht ueber wollen sie ihn nicht hier behalten. Er soll vor unserem Nachtwaechter geschuetzt werden, in dessen Dorf werden Diebe naemlich umgebracht oder ihnen wird ein Ohr abgeschnitten. Normal ist es auch hier in der Stadt, dass alle Menschen auf einen Dieb einschlagen und mit Steinen bewerfen...wenn er Glueck hat, ist er noch am Leben, wenn die Polizei eintrifft. Ein Gesetz fuer so einen Massentodschlag gibt es nicht, es bleiben also dann alle unbestraft.

Und meine andere 1. Klasse

Meine Lieblingsklasse

Montag, 4. Februar 2008

Schule oder Militaer?

Um halb acht schwingen wir uns auf unser 'Luxusbike'...zu zweit auf eines, weil wir zu wenig Raeder haben. Wegen Ueberlastung muessen die deshalb alle paar Minuten zu den Fundis. Das sind die netten Maenner, die im 50-Meter-Abstand am Strassenrand 'Radwerkstaetten' eroeffnet haben, d. h. ein paar Fundis liegen unter einem Baum und haben fuenf Schraubenzieher und zwei Fahrradschlaeuche beinahe alibimaessig vor sich liegen. Natuerlich gibt es auch unter ihnen richtige Schaffer, aber im Grunde scheint es mir wohl eher ein etwas ruhigeres Business;-).
Der erste Teil der Strasse ist geteert, der zweite nicht und wird gerade jetzt waehrend der Regenzeit zu einer taeglichen Herausforderung. Kurz vor Schulbeginn findet ein Morgenappell statt, hinder dem sich jedes 'Antreten' der Bereitschaftspolizei in Dachau verstecken kann - Abzaehlen, Koerpervisitation, Hand auf's Herz und die Hymne wird getraellert, mit Trommeln begleitet. Anschliessend Abmarsch ins Klassenzimmer im Gleichschritt und wer zu spaet kommt darf schon mal die erste Stunde vor der Schule knien.
Der Unterricht laeuft bei den meisten Lehrern aehnlich militaerisch ab. Mein Lieblingslehrer Amos beginntoftmals mit dem 'stand up - sit down - Spiel'...er schafft es auch durchaus, das Ganze zehn Minuten durchzuziehen. Bei meiner Frage nach dem Sinn kriege ich die Antwort: Damit sie nicht einschlafen - ok, das ist ein Argument, da ich mir durchaus vorstellen kann, dass sein Unterricht geradezu zum Schlafen einlaedt.
Mama Devotha, deren Assistentin ich bin, habe ich den Namen paedagogische Wildsau gegeben, wobei ich mittlerweile eher zu einem weniger gefaehrlichen Hausschwein tendiere, da man hinter dem energischen Auftreten, bei dem sie ihre Koerperfuelle und den Holzstock in der Hand bewusst einsetzt, einen durchaus guten Kern vermuten kann. Am Anfang hatte ich so meine Problemchen mit ihr, da sie mich als ihre persoenliche 'Faulheitsvertretung' eingesetzt hat. Das ist bei einer ersten Klasse mit 50 Schuelern, die nahezu kein Englisch verstehen und einer Europaeerin, die niemals einen Stock in die Hand nehmen, geschweige denn gebrauchen wuerde, schon sehr anstrengend. Aber es hat geklappt, die Schulleiterin war baff und hat mich gefragt, ob ich schon mehr Lehrerfahrung haette. Ich hab einfach bejaht, weil es mir zu kompliziert war, ihr von dem vererbten 'Vernichtungsblick' zu erzaehlen (DANKE Papa *lach*). Wenngleich es auch nicht besonders schoen ist, die Kinder nicht mit interessantem Unterricht bei Laune zu halten. Bei der Unterrichtsgestaltung musste ich mich aber genau an die Uebungen aus dem Buch halten und durfte auf keinen Fall aus dem Zeitplan geraten, das ist mir nur einmal passiert und ich wurde sofort darauf hingewiesen...pole-pole...langsam-langsam!!
Mittlerweile habe ich mich durchgesetzt und nehme waehrend den Stunden die Schwachen heraus und foerdere sie zusaetzlich oder vertrete kranke Lehrkraefte. Geblieben sind mir 90 Hefte am Tag zu korregieren, aber das mache ich irgendwie auch gerne und Mama Devothas typisch afrikanische Art ist oft zum Bruellen komisch, besonders wenn sie zu den Trommeln des Appells im Lehrerzimmer ihre Hueften schwingt kann ich mich kaum noch halten.
Zudem waere es ungerecht afrikanische Schulen und Lehrer mit deutschen zu vergleichen, da wir viel bessere Mittel und kleinere Klassen haben. Zudem hat die Schule, an der ich hier in Tabora einen super Ruf, an den staatlichen sind naemlich 100 - 200 Schueler in einer Klasse und Stockschlaege sind normal...bei uns sind diese grundsaetzlich verboten und kommen deshalb auch nicht sooo oft vor. Ich musste es bis jetzt noch nie mit ansehen und darueber bin ich gottfroh - weil wie jeder weiss sind meine Reaktionen im Allgemeinen oftmals nicht immer ganz so diplomatisch und durchdacht *lach*!