Dienstag, 29. April 2008

Fruehstuecken auf afrikanisch

Eine Seefahrt die ist lustig...

In Mwanza schnuppern wir zum ersten Mal 'modernes' Afrika. Wir geniessen in einem wunderschoenen Restaurant direkt am See Tilapia-Fisch, freuen uns wie kleine Kinder an Weihnachten ueber einen Supermarkt, der ungefaehr halb so gross ist, wie der Baecker Kornprobst und dessen Christkind als fetter Weihnachtsmann verkleidet an der Kasse sitzt und schmierig grinst...naja, bei der Beute wuerde ich mich auch freuen, wir haben naemlich gerade fuer Vollkornkraecker, Marmelade, Margarine, Vollkornkekse und Schablettenkaese das halbe Monatsgehalt einer Koechin (13 Euro) auf den Putz gehauen. Aber der absolute Hammer kommt erst noch: die warme Dusche von oben. Wenn mir mal irgendjemand gesagt haette, dass mich eine Dusche gluecklich machen wird, den haette ich schier fuer verrueckt gehalten - aber jetzt wo's da so von oben plaetschert und ich singend und tanzend -soweit das auf engstem Raum, den ich auch noch mit der Toilette teilen muss moeglich ist- drunter stehe, wuesste ich fuer den Moment nicht, was mir zum vollkommenen Glueck noch abgeht!
Am Abend geht es dann mit der MS Serengeti ueber den Viktoriasee nach Bukoba. Wir sichern uns eine Bank auf dem ueberdachten Deck des 'Seelenverkaeuferschiffes', wie es Carola so schoen nennt. Als das Schiff abgelegt hat wird jede Menge Bier verkauft und getrunken. Es kommt zu einem Streit zwischen zwei Maennern und einer zieht ein Messer, steckt es dann aber schnell wieder weg als die Schiffspolizei im Anmarsch ist, setzt sich neben seine Frau, isst in aller Seelenruhe weiter und tut, als waere nichts geschehen. Als die Polizisten erscheinen um nach ihm zu fahnden merkt man richtig, wie sich die Stimmung auflaedt bis eine aeltere Frau auf den Mann deutet und "Messer, Messer" schreit. Alle Passagiere stimmen ein. Die Luft ist geladen von der Aufgebrachtheit und Aggressivitaet der Masse. So stelle ich mir die Situation vor, wenn hier ein Dieb entlarvt und im wahrsten Sinne des Wortes gesteinigt wird. Na einen Vorteil hat das Schiff, es sind keine Steine in Sicht. So nimmt die Polizei dem Mann das Messer weg und fuehrt ihn ab. Unter den Passagieren wird wild diskutiert - wer ist schuld, wie kam es...und wer sitzt mitten im Geschehen? Die zwei Wusungus Carola und Annette.
Irgendwann kommt die Frau des 'Messerziehers' zurueck und waescht -zusammen mit ihrer Freundin- die Blutspitzer aus ihrem Ballkleid. So wie die sich in Schale geworfen hat, hat sie sich von ihrem Ausflug wohl auch was anderes erwartet und ich moechte gar nicht wissen, was mit ihrem verehrten Gatten geschehen ist. Er scheint aber noch am Leben zu und an Bord zu sein und das zu wissen beruhigt unwahrscheinlich. Die weitere Fahrt verlaeuft -wenngleich ich kein Auge mehr zumachen kann- friedlich. Der Einzige, der jetzt unbedingt rebellieren will ist mein Magen, was in Anbetracht der Situation - dass man sich durch die ganze Menschenmenge auf ein Klo zwaengen muss, das wieder einmal volle Punktzahl erhaelt - nicht gerade das Angenehmste ist! Trotzdem erreichen wir wohlbehalten Bukoba, ein wunderschoenes Staedtchen wo wir uns ein paar wohlverdiente Relaxtage goennen - jedoch immer mit dem festen Ziel "einem Gorillatrek in Ruanda" vor Augen.

Ein traumhaftes Geburtstagfruehstueck

even wooden diamonds are the " girls' " best friends

Donnerstag, 17. April 2008

Steiner Reisen meets Mohammed Tours

Brother Innocent klopft an meine Tuer "Aneth, Aaaaneth!"...es ist fuenf Uhr morgens und Zeit aufzustehen - Ruanda wartet!
Father Samy bringt uns zum Bus und weil wir die Tickets zwei Tage im voraus gekauft haben - typisch deutsch halt - sitzen wir nicht nur beim deutschen Fernsehen, sonder auch bei Mohammed Tours in der ersten Reihe. Ich seh mich um - die Spruenge in der Windschutzscheibe sind mit schwarzem Klebeband geflickt und ueberhaupt leistet dieses Klebeband im Innenraum des Busses gute Dienste: es haelt Armaturen zusammen, verstaut lose Kabel etc.! Ich ruettle an meinem Sitz, der scheint fest verankert zu sein, wobei ich ja auch noch ein bisschen Leukoplastklebeband im Rucksack haette! Der Fahrer macht es sich auf seinem Sitz bequem und wird natuerlich sofort von oben bis unten begutachtet und charakterisiert. Er ist etwas aelter, was uns auf Erfahrung und moderate Risikobereitschaft schliessen laesst, zudem wirkt er ausgeschlafen und nuechtern - na das erhoeht die Ueberlebenswahrscheinlichkeit doch schon einmal ungemein!! Schon beim Ticketkauf habe ich den Mann am Schalter gefragt, ob man den Werbeslogan "Safe, fast and comfortable" nicht auf "Safe and comfortable" reduzieren koennte, woraufhin ich 'unerwarteter Weise' schallendes Gelaechter geerntet habe - mei die Wusungus diese Warmduscher! Ja, da war mir auch noch zu Lachen zumute, aber jetzt, in Anbetracht der Tatsache, dass der erste Teil der Strecke ueber eine Sandstrasse fuehrt, die waehrend der Regenzeit eher einem Schlammschlachtfeld gleicht - naja, Augen zu und durch. Wenn die Strasse sich auf einer Seite zu sehr gesenkt hat und die Schraeglage des Busses ein gefuehltes Maximum erreicht, versuche ich mich entgegen zu lehnen und mit meinem Koerpergewicht auszugleichen. Ok, mir ist durchaus klar, dass ich dafuer kein Bundesverdienstkreuz zwecks einem verhinderten Busunglueck bekommen werde, aber somit bin ich zumindest beschaeftigt und habe nicht zuviel Zeit mir auszumalen wie ich meinen Eltern klar mache, dass wir in diesem "Klebebandwunder" 600 km zuruecklegen muessen. In Gedanken sehe ich beide schon kreidebleich neben mir sitzen und den vorwurfsvollen Blick von Helene, der bedeutet: Annette, wirst du niemals gscheider? Ja, ich haette auch einen Flug buchen koennen, aber irgendwie glaube ich, man hat Afrika nicht erlebt, wenn man sowas nicht mitgemacht hat...
Wir erreichen Nzega auf alle Faelle unversehrt und nach einer Toilettenpause geht es bis Mwanza am Viktoriasee auf einer Teerstrasse weiter.
Da wir mittlerweile Noten fuer -im wahrsten Sinne des Wortes- besonders umwerfende Klos vergeben, erhaelt das in Nzega volle Punktzahl, also eine glatte Eins. Zuerst muss man ueber Steine, die im Gang liegen, weil sich dort das Regenwasser und sonstige Flussigkeiten sammeln, in einen Raum ohne Tuer balancieren, der lediglich gefliest ist. Das aber mit Gefaelle, damit 'alles' nach hinten ablaeuft, wo sich dann ein kleines Loch befindet, das nach draussen fuehrt - na, Prost Mahlzeit, das grosse 'Geschaeft' muss dann wahrscheinlich vom Besitzer selbst entfernt werden und ganz nebenbei - eine Schaufel war nicht in Sicht. Meine Cousine Christiane wuerde in so einem Fall sagen "alles was und nicht umbringt macht uns nur noch haerter" und damit hat sie sicherlich auch recht - wobei sie jetzt in Miami wahrscheinlich auf einer beheizten Klobrille sitzt und sich auf dem an der Decke montierten Flachbildschirm eine amerikanische Soap anschaut...dabei frage ich mich, was mehr weh tut, amerikanisches Unterhaltungsfernsehen oder afrikanischer Gestank!?
Zurueck auf der Strasse werden wir fuer alle "Strapazen" mit einer wundervollen Aussicht belohnt "Weite, Weite, Weite" und dazwischen ein paar Lehmhuetten vor denen Leute sitzen und winken. Motorisierte Fahrzeuge gelten hier noch als kleine Wunder und genau so verhalten sich auf die Fahrer - wie Goetter, die sich nicht scheuen ueber Leben und Tod zu entscheiden - die Helden der Strasse...wie of ich mir die gedanklich schon vorgeknoepft habe!
Ploetzlich kommt der Bus zum Stehen - schon wieder Toilettenpause? Nein, nur eine kleine Panne versichert uns der nette Busfahrer. Es wird eine Schnur vom Motorraum in den Bus gespannt, die ab sofort einer der Busbegleiter festzuhalten hat und weiter geht's!
Den naechsten Stopp machen wir an einer Tankstelle, an der wir waehrend des Tankvorgangs aussteigen muessen, damit uns nichts passiert, wenn das Ganze schief und somit in die Luft gehen sollte. Eigentlich schon nachvollziehbar und sehr sinnvoll. Allerdings frage ich mich, wie eine Tankstellenexplosion in der afrikanischen Vorstellung aussieht? Es bewegt sich naemlich nicht wirklich jemand mehr als zwei Meter vom Bus weg!! Naja, ich kenn es ja auch nur aus dem Fernsehen und wer weiss wie ich es mir sonst ausmalen wuerde!? Aber es muss keiner von uns erleben und das ist die Hauptsache.
Bald haeufen sich die Strommasten und wir wissen, dass Mwanza nicht mehr weit ist - bis uns schliesslich der Viktoriasee zu Fuessen liegt. So gross wie Oesterreich - WAHNSINN!!

Sonntag, 6. April 2008

Grenzgaenger

Ich hab' die halbe Nacht nicht geschlafen und tappe, sobald mir der Muezzin den Morgen ankuendigt, aus der Tuer meines Zimmers. Im Gang brennt eine Kerze. Mittlerweile freue ich mich zwar nicht mehr ganz so ueber das flackernde warme Licht, weil es gleichzeitig 'keinen Strom' bedeutet aber trotzdem hat es auch etwas, morgens den grellen Neonroehren nicht gleich 'ins Gesicht' blicken zu muessen. Der erste Weg fuehrt in die Kueche zu unseren drei zweitage alten Katzenbabies.
Die Katzenmutter nimmt sie nicht an, was uns gestern beim Abendessen mal wieder eine kleine 'Kulturkonfrontation' beschert hat. Ich wollte dabei nicht Robin Hood fuer Katzen spielen, zumal ich ja auch der Meinung bin, dass es nicht gerade die gelungensten Geschoepfe auf Gottes grossen Boden sind...aber sie klaeglich verhungern zu lassen finde ich nicht gerade die feinste Art, wenn auch sehr afrikanisch - Dinge so lange ignorieren bis sie sich von allein erledigen und dabei die Ausdauer nicht verlieren - fuer einen Deutschen faszinierend und nervenaufreibend zugleich!
Beim Father ist das eigentlich nicht so, aber Katzen empfindet er als so gaenzlich ueberfluessig, dass sie keines Wortes wert sind und schon gar nicht beim Abendessen. Als ich das Thema anspreche weiss ich, dass ich auf Unverstaendnis stossen werde - der Brother grinst, es war ihm wahrscheinlich klar, dass ich meinen Mund nicht halten kann. Am liebsten wuerde er naemlich selbst was sagen, dass gestattet ihm allerdings die katholische Hierarchie nicht. Trotzdem ist es schon einmal beruhigend 'Rueckendeckung' fuer den 'Notfall' zu haben. Wir diskutieren hin und her, wobei fuer mich 'das Ende vom Lied' laengst klar ist - es gibt nur zwei Moeglichkeiten: UMBRINGEN oder FUETTERN. Der Father ist viel zu 'peace' - so wuerde meine Cousine Susi sagen - als das er selbst Hand anlegen koennte. Aber fuettern...also wenns ein lebendiger Hasenbraten waere, dann ja - aber so!? Er fragt mich, ob ich ihnen nicht den Todesstoss geben koenne und erwartet ein europaeisch-schockiertes 'OH NO!!!!!' und damit einen gleichzeitigen Sieg seiner Seite. So schnell gebe ich mich aber nicht geschlagen und wenn er sich nicht scheut zu unlauteren Mitteln wie dem deutschen 'Weicheigemuet' zu greifen, dann muss ich ihn da leider enttaeuschen. Natuerlich kann ich sie umbringen, er soll mir seinen Autoschluessel geben, dann fahr ich drueber (was ich natuerlich niemals koennte)...ok, das war zuviel Gewalt fuer ein indisches Priester-Peace-Herz...er uebergibt die Katzen und ihre Zukunft ganz in meine Haende und macht deutlich, dass
er das Thema jetzt vom Tisch haben will.
Nach dem Essen mixe ich Milch mit Wasser, missbrauche eine von Silvias Spritzen, die sie mir fuer Notfaelle mitgegeben hat und fuettere die Katzen. Sabine macht die drei
'nestrein' und Brother, der sonst so afrikanische Hardliner outet sich und macht ihnen mit alten Stofffetzen in einem Blecheimer ein Bettchen, was er in die Kueche
neben den Eimer stellt, in dem die Glut fuer's Kochen ueber Nacht aufbewahrt wird...damit sie es auch schon warm haben. Ausserdem bietet er mir noch an, sie am naechsten Tag zu fuettern, wenn ich in der Schule bin und ganz ehrlich - ich glaube, dass er mir damit nicht nur einen Gefallen tun will, sondern sich auch richtig darauf freut!
So stehe ich also am naechsten Morgen um fuenf Uhr in der Kueche und bekomme einen Schock - im Katzennest liegen drei leblose Katzenbabies. Erst als ich eines herausnehme hoere ich ein leises, sehr schwaches Katzengeschrei. Ich bin richtig gluecklich - alle haben die Nacht ueberstanden.
Mit dem Father sitze ich zwei Stunden spaeter beim Fruehstueck, wir unterhalten uns wie immer ueber Gott und die Welt, lachen viel und wissen beide sehr gut, sie wir solche unterschiedlichen Auffassungen mit dem Stempel "Kulturunterschied" versehen zu den Akten legen koennen.